(Artikel aus der "Zuger Zeitung" vom 9. September 2023 von Andreas Faessler)
Die Zuger Schutzengelwoche steht an der. Cahmerstrasse gegenüber der Zufahrt zum Hafen. Die in der heutigen Form 1803/04 entstandene Kapelle greift in ihrer künstlerischen Ausstattung in mehrfacher Hinsicht das Schutzengelthema auf.
Am prominentesten und den gesamten Innenraum dominierend ist der Schutzengel im Deckenfresko vertreten. So wie im Altarblatt von Melchior Paul Deschwanden tritt der Engel im Deckenbild als Beschützer der Kleinen und somit besonders Verwundbaren auf. In der unteren Bildmitte begleitet ein Engelswesen beschützend ein Kind. Beide stehen auf dem abgestuften Unterbau einer palastartigen Architektur. Darüber in den Wolken schwebt eine kreuz- und kelchtragende Frauenfigur als Allegorie der Ecclesia. Zwei weitere Allegorien sind auf den Treppenstufen dargestellt. Zum einen eine für die damalige Zeit elegant gekleidete Dame als Inbild weltlicher Liebe und Stolz oder Hochmut. Zum anderen ein bärtiger Mann, der augenscheinlich eine Tafel in der Hand hält. Er lässt sich womöglich als Allegorie des Unglaubens interpretieren.
In einem Artikel anlässlich einer Renovation der Kapelle um 1990 zieht der ehemalige Zuger Denkmalpfleger Heinz Horat zwei unterschiedliche Einordnungen des hier zu sehenden Bildthemas in Erwägung. Einerseits kann es sich bei diesem Fresko bereits um eine reine Allegorie des Schutzengels handeln, wie sie im Lauf des 19. Jahrhunderts vielerorts Tradition geworden ist. Da das Jahrhundert zum Entstehungszeitpunkt des Kunstwerkes jedoch noch sehr jung war, ist nicht auszuschliessen, dass das Motiv ikonografisch noch das alttestamentliche Tobias-Thema zitiert.
Tobias war der Sohn des Tobit, welcher während seiner Gefangenschaft in Ninive selbst in höchster Not nicht vom Glauben an Gott abliess. Tobits Sohn Tobias indes befand sich auf einer Reise, an deren Ende er seine künftige Frau Sara treffen sollte. Tobias wird in der Ikonografie stets in Begleitung des Erzengels Raphael dargestellt. Gemäss Heinz Horat liesse sich die Frau auf den Stufen in diesem Fall als die verlassene Mutter Tobias' interpretieren. Und der alte Mann wäre möglicherweise als Dämon Asmodäus anzusehen, welcher im Buch Tobit die Vermählung Saras wiederholt zu verhindern sucht.
An welcher dieser beiden Themen sich der Freskant letztlich orientiert hat, ist nicht überliefert. Mit einer perspektivisch geschickt erzielten Tiefenwirkung vermittelt er den Inhalt des Motives: Durch den Schutz eines Engelswesens ist das Kind wohlbehütet und auf dem rechten Weg des Glaubens unterwegs. Geschaffen hat das Fresko der aus dem allgäuischen Pfronten stammende Johannes Geisenhof (1764-1810).
Im Zuge einer umfassenden Erneuerung der Kapelle im Jahre 1893 übermalte der ebenfalls aus Bayern stammende Künstler Carl Kraft das Schutzengel-Fresko. 1955 wurde dies rückgängig gemacht und das Werk von Geisenhof wieder freigelegt. Das Fresko ist nicht signiert, doch da Geisenhof in den Bauurkunden als verantwortlich zeichnender Maler aufgeführt ist, kann seine Autorenschaft als gesichert gelten.
Heinz Horat zieht an dieser Stelle in Betracht, dass Geisenhof stilistisch bei den in vielen Zentralschweizer Kirchen anzutreffenden Deckengemälden des ebenfalls aus Pfronten stammenden Josef Keller (1740-1823) «abkupferte». Tatsächlich finden sich Stil und Elemente des Freskos in der Schutzengelkapelle in zahlreichen Arbeiten Kellers wieder. Dies könnte denn auch mit ein Grund sein, warum Johannes Geisenhofs Name weit weniger bekannt ist, da er sich nicht durch einen ausgeprägten eigenen Stil hervorgetan hat.
Im Zuge der Renovationsarbeiten von 1990 ist das Schutzengel-Fresko mit viel Aufwand instand gestellt worden, nachdem sich ausgedehnte Risse und bedrohliche Hohlräume unter der Putzschicht gebildet hatten. Seither präsentiert sich das von dezenten Stuckprofilen gerahmte Deckenbild mit seiner zurückhaltenden Farbigkeit in schönster Manier.
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