Vom Wiener Maler Ludwig Rösch (1865-1936) stammen diese beiden beeindruckenden, hochrechteckigen Aquarelle. Sie befanden sich vermutlich lange Zeit in einem Schweizer Privatbesitz, wobei niemand gewusst hatte, was es überhaupt darstellt, wo sich dieses prächtige Stiegenhaus befindet. Wer jedoch Kenntnis von der jüngeren Architekturgeschichte Wiens hat, könnte irgendwann auf des Rätsels Lösung stossen: Es handelt sich um die Prunktreppe im Palais Albert Rothschild, ehemals an der Adresse Prinz Eugen-Strasse 20-22 im 4. Wiener Stadtbezirk. Von diesem einstigen Rothschild’schen Privatpalast sind nur sehr wenige Fotografien und Abbildungen mehr vorhanden. Vom Inneren, insbesondere vom Stiegenhaus, existieren maximal eine Handvoll Aufnahmen. Umso kostbarer und bedeutender ist das gemalte Zeitzeugnis, welches uns Ludwig Rösch hier hinterlässt.
Nathaniel und Albert Rothschild, die beiden Söhne des in Wien zu einem grossen Vermögen gekommenen Bankiers Salomon Rothschild, liessen sich unweit des Belvedere je ein Wohnpalais erbauen. Albert Rothschild beauftragte den französischen Architekten Gabriel-Hippolyte Destailleur mit dem Entwurf eines monumentalen Wohnpalastes im Stil der für Wien ungewöhnlichen französischen Neorenaissance. Sowie innen wie auch aussen war das Palais mit verschwenderischer Pracht gestaltet, die Räume waren riesig, wenn nicht gar weit überdimensioniert. Die Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren zwang Rothschild, in ein bescheideneres Heim umzuziehen. Der Palast stand hernach leer.
Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland wurde das Palais «arisiert». Adolf Eichmann koordinierte von hier aus die Deportationen der österreichischen Juden in die Vernichtunslager im Osten. Bombenangriffe beschädigten das Palais Rothschild 1944. Da sich nach dem Krieg kein Käufer für das Anwesen fand, wurde die Einrichtung in alle Himmelsrichtungen verscherbelt. Mit dem Abriss 1955 verschwand der Rothschild’sche Palast mitsamt seiner tragischen Geschichte aus dem Stadtbild. Diese zwei Aquarelle vermitteln eine Idee davon, wie verschwenderisch das Gebäude ausgestattet war.
Ludwig Rösch liess sich in Wien ausbilden, lebte in mehreren europäischen Ländern, liess sich ab 1907 in seiner Heimatstadt Wien nieder, war hier Mitglied der Secession und des Dürerbundes. Er starb am 30. März 1936 als angesehener Künstler.
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